„Nach-Corona-Statistik“: Zuwächse bei Diebstahl und Körperverletzung

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PKS 2022
„Nach-Corona-Statistik“: Zuwächse bei Diebstahl und Körperverletzung
Minister Reul: "Die Zahlen sind ein Arbeitsauftrag. Für die Polizei, aber genauso für uns als gesamte Gesellschaft."
PLZ
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Ministerium des Innern NRW
Ministerium des Innern NRW

Mit mehr als 1,37 Millionen Delikten sind die Kriminalitätszahlen in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr um 13,7 Prozent gestiegen. Bei der Vorstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2022 zeigt sich der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul am Dienstag deshalb besorgt. Gleichzeitig plädiert er dafür, das Zahlenwerk nüchtern zu betrachten: „Schönfärberei hilft jetzt ebenso wenig, wie alles schwarz zu malen. Wir müssen uns fragen, wieso die Zahlen sind wie sie sind.“

Reul sieht in vielen Bereichen eine Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie. In manchen Bereichen hingegen sei ein Pendeleffekt erkennbar. „Wir haben in einigen Bereichen im Vergleich zum Corona-Vor-Jahr einen Anstieg. Das, was in den Pandemiejahren nicht gemacht wurde, wurde 2022 nachgeholt. Dann aber exzessiver, wilder und noch mehr davon.“

Zudem wirke sich auch der Dauerkrisenmodus, den es seit drei Jahren gibt, auf die Menschen und somit auch auf die Kriminalstatistik aus. Die veränderten Zahlen im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität erklärte der Innenminister auch damit, dass es für Kinder zwei Jahre lang pandemiebedingt wenig Raum gab, um sich sozial zu entwickeln. Gefehlt haben auch Möglichkeiten zu lernen, wie Konflikte gewaltlos zu lösen sind, weil zeitweise Schule und Freizeitangebote ausfielen. Außerdem seien die gestiegenen Fallzahlen ein Beleg dafür, dass heute mehr angezeigt wird und dass heute Dinge angezeigt werden, die früher nicht Teil der Statistik waren, wie zum Beispiel Schulhofraufereien. Zudem habe das Angebot der Online-Wache der nordrhein-westfälischen Polizei das Erstatten einer Anzeige deutlich vereinfacht. All diese Faktoren würden die Kriminalitätszahlen beeinflussen, so Reul.   

 

Allgemeine Kriminalitätsentwicklung:

  • Im Jahr 2022 wurden 1.366.601 Straftaten in Nordrhein-Westfalen erfasst. Zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 13 Prozent. Auch zum Vor-Corona-Jahr 2019 ist das ein Anstieg.
  • Die Aufklärungsquote der NRW-Polizei hat sich bei über 50 Prozent stabilisiert. In absoluten Zahlen wurden 2022 rund 67.000 mehr Fälle aufgeklärt.

 

Auffällige Deliktsbereiche:

  • m Bereich Diebstahl gibt es mit rund 480.000 erfassten Fällen im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um 23 Prozent. So machen Diebstahldelikte etwa 35 Prozent aller festgestellten Straftaten aus. „Die gestiegenen Zahlen zeigen uns, dass Diebstahl letztes Jahr traurige Konjunktur hatte. 2022 ist das Leben wieder zurück auf die Straße gekehrt und damit auch die Tatgelegenheiten, auf die die Diebe lauern“, so der Minister.
  • Im Bereich Raub zählt die Polizei im Jahr 2022 rund 11.000 Fälle. Zum Vorjahr ist das ein Anstieg um 37 Prozent.
  • 380 Fälle wurden im Bereich Mord und Totschlag erfasst. In 294 dieser Fälle ist es beim Versuch geblieben. 94 Prozent der Fälle konnte die Polizei aufklären.  
  • Die erfassten Körperverletzungen sind um 24 Prozent auf 142.000 Fälle gestiegen. „Warum ist die Zündschur so viel kürzer geworden?“, fragt sich Minister Reul. Das habe sicherlich auch etwas mit dem veränderten Klima in der Gesellschaft zu tun. „Das fängt ja schon im Kleinen an, wenn man in der Schlange am Supermarkt steht. Der Ton ist schroffer geworden. Und dann wird die Mücke schneller zum Elefanten als man gucken kann“, gibt Reul zu Bedenken.
  • Im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität sind die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Bei knapp 500.000 Tatverdächtigen ist jeder fünfte unter 21 Jahre alt gewesen. Insbesondere Kinder seien mit einem Anteil von rund 20 Prozent im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität deutlich zu oft tatverdächtig, so Reul. „Wenn Sie so wollen, sind die Zahlen der Beweis dafür, dass die Pandemie unsere Kinder verändert hat“, so der Innenminister weiter.
  • Im Bereich Häusliche Gewalt nehmen die Zahlen seit sechs Jahren stetig zu. 2022 wurden hier 34.000 Fälle erfasst. Die Entwicklung hat sicherlich „auch viel mit öffentlicher Debatte und Enttabuisierung zu tun. Aber die Zunahme kann nicht nur das Erhellen des Dunkelfeldes sein. Genauso sagen uns die Zahlen, dass da viel Gewalt hinter den Türen passiert. Dafür haben wir zu viel Plus im Bereich Körperverletzung. Das sagt uns, dass auch Zuhause mehr Gewalt eingezogen ist“, führt Reul aus.
  • Im Bereich Kinderpornographie und Kindesmissbrauch bleiben die Fallzahlen konstant. 2022 wurden im Bereich Kindesmissbrauch über 4.100 Fälle registriert. Im Bereich Kinderpornographie waren es über 11.000 Fälle. Erfreulich sei, dass die Aufklärungsquote im Bereich der Kinderpornographie bei über 80 Prozent liege, so Reul: „Weil die Polizei rastlos ist und den Tätern keine Ruhe lässt, halten sich hier die Zahlen auf einem hohen Niveau. Da wird geackert. Da wird gewühlt und gegraben. Und das wird so weitergehen.“
  • Im Bereich Angriffe und Widerstand gegen und auf die Staatsgewalt - sprich: gegen Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr - ist mit 9.600 registrierten Fällen ein Zehnjahreshoch zu sehen. „Die Hemmschwelle Gewalt gegen Menschen in Uniform anzuwenden, ist gesunken. Das besorgt mich. Weil da ganz offensichtlich etwas Grundsätzliches ins Wanken geraten ist: Haltung, Wertschätzung und Respekt“, kommentiert Reul.
  • Im Bereich Tatmittel Internet registrierte die Polizei rund 96.000 Fälle. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Zuwachs um etwa 17.000. „Weil wir ganz viel Lebenswelt ins Digitale verlagert haben, machen wir es den Kriminellen besonders einfach“, führt Reul aus.

Herbert Reul zeigt sich insbesondere wegen der Zahlen im Bereich der Körperverletzungen und im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität besorgt: „Da müssen wir gegenarbeiten. Und wir müssen besser werden. Beim Ermitteln, beim Fahnden und bei der Prävention. Die Zahlen sind ein Arbeitsauftrag. Für die Polizei, aber genauso für uns als gesamte Gesellschaft.“

 

Fortschritte

Im Bereich „Tatmittel Messer“ sind die Zahlen weiter rückläufig. Rund 4.200 Fälle wurden in diesem Deliktsbereich registriert. Das ist ein Minus von fünf Prozent zum Vorjahr. Vielleicht habe der Rückgang auch etwas mit der Einführung der Waffenverbotszonen zu tun. „Denn solche Zonen senden Signale: Messer sind unerwünscht“, ergänzt Reul.

Auch im Kampf gegen die Sprengung von Geldautomaten sind erste Erfolge zu sehen. Zwar gab es 2022 insgesamt 182 Sprengungen. Gleichzeit zeigen die Zahlen, dass sich mit der Einführung der Sonderkommission BEGAS etwas getan hat. Im zweiten Halbjahr 2022 gab es 78 Sprengungen. Im zweiten Halbjahr des Jahres 2021 waren es noch 108 Sprengungen. Dieser vorsichtige Trend habe sich im Januar 2023 fortgesetzt. „Wir wissen wie es geht. Und die Betreiber der Geldautomaten rüsten auf“, freut sich der Innenminister.

 

weitere Informationen

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110